Hormone spielen nicht nur eine wesentliche Rolle im Hinblick auf die Fortpflanzungsfähigkeit, sie können auch das Gehirn im Alter möglicherweise schützen. Frühere Forschungen haben bereits gezeigt, dass Östrogen eine protektive Wirkung auf das weibliche Gehirn hat, den Verlust der grauen Substanz begrenzt, der normalerweise mit der Menopause einhergeht, und dadurch das Risiko für Alzheimer verringern könnte.
Laut einer neuen Studie, die in der Online-Ausgabe von Neurology®, der medizinischen Fachzeitschrift der American Academy of Neurology veröffentlicht wurde, besteht bei Frauen mit einer höheren kumulativen Östrogenexposition im Laufe ihres Lebens möglicherweise auch ein geringeres Risiko für Erkrankungen der kleinen Gehirngefäße.
Hormone und ihr Einfluss auf das Gehirn
Die zerebrale Kleingefäßerkrankung, eine Form der zerebrovaskulären Erkrankung, entsteht durch eine Schädigung kleiner Blutgefäße im Gehirn. Sie erhöht das Risiko einer kognitiven Beeinträchtigung und für Demenz. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Häufigkeit zerebrovaskulärer Erkrankungen nach der Menopause zunimmt, was oft auf das Fehlen von Hormonen zurückgeführt wird. Es bleibt unklar, ob die Menge der Hormonexposition vor der Menopause dieses Schutzfenster auf die Zeit nach der Menopause ausdehnt.
Forscher der Universität von Sherbrooke in Quebec, Kanada, untersuchten den Zusammenhang zwischen der lebenslangen Hormonbelastung, d. h. der Anzahl der Schwangerschaften und der reproduktiven Lebenszeit, und der Hyperintensität der weißen Substanz, einem gängigen Biomarker für die Gesundheit der Gefäße im Gehirn, der sich mit zunehmendem Alter entwickelt.
Frauen mit höherer Hormonbelastung haben ein geringeres Hyperintensitätsvolumen der weißen Substanz
An der Studie nahmen 9.000 postmenopausale Frauen mit einem Durchschnittsalter von 64 Jahren teil, die im Vereinigten Königreich lebten. Zu Beginn der Studie hatten sie keine zerebrale Kleingefäßerkrankung. Die Testpersonen beantworteten Fragen zur reproduktiven Gesundheit, einschließlich ihres Alters bei der ersten Menstruation und dem Beginn der Menopause, zur Anzahl ihrer Schwangerschaften, sowie zur Verwendung oraler Kontrazeptiva und Hormontherapien. Bei den Teilnehmerinnen wurden auch Gehirnscans durchgeführt, um nach Erkrankungen der kleinen Hirngefäße zu suchen, indem die Hyperintensität der weißen Substanz ermittelt wurde, die auf eine Verletzung der weißen Substanz des Gehirns hinweist. Die Forscher berechneten die lebenslange Hormonbelastung, indem sie die Anzahl der Jahre, in denen die Teilnehmerinnen schwanger waren, mit der Dauer ihrer reproduktiven Lebensspanne addierten, d. h. der Anzahl der Jahre von der ersten Menstruation bis zur Menopause. Die durchschnittliche lebenslange Hormonexpositiom betrug 40 Jahre.
Nach Berücksichtigung von Faktoren wie Alter, Bluthochdruck und Nikotinkonsum stellten die Forscher fest, dass Frauen mit einer höheren Hormonbelastung im Laufe ihres Lebens ein geringeres Hyperintensitätsvolumen der weißen Substanz aufwiesen. Das durchschnittliche Gesamtvolumen der Hyperintensität der weißen Substanz betrug 0,0019 Milliliter (ml). Sie fanden heraus, dass Personen mit einer höheren lebenslangen Hormonexposition ein geringeres Volumen an Hyperintensitäten der weißen Substanz aufwiesen, mit einem Unterschied von 0,007 ml im Vergleich zu jenen mit einer niedrigeren lebenslangen Hormonexposition. Die Forscher berechneten die lebenslange Hormonbelastung auch, indem sie die Anzahl der Jahre addierten, in denen die Teilnehmerinnen orale Kontrazeptiva einsetzten und Hormonersatztherapien erhielten. Diese Faktoren änderten nichts an der Auswirkung, die die Anzahl der Schwangerschaften und die Anzahl der reproduktiven Jahre auf die Hyperintensität der weißen Substanz hatten. Die Anzahl der Schwangerschaften der Teilnehmerinnen und die Anzahl der Fortpflanzungsjahre wirkten sich unabhängig voneinander auf das Volumen der Hyperintensität der weißen Substanz aus.
Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Fortpflanzungsgeschichte in das Management der Gehirngesundheit bei postmenopausalen Frauen zu integrieren. Zukünftige Forschungen sollten Möglichkeiten zur Entwicklung besserer Hormontherapien untersuchen. Eine Einschränkung der Studie bestand darin, dass Informationen zu Fortpflanzungsfaktoren hauptsächlich auf der Grundlage der Fähigkeit der Teilnehmerinnen gesammelt wurden, sich an Ereignisse zu erinnern, und dass sich die Frauen möglicherweise nicht richtig an solche Ereignisse erinnerten. Die Studie beweist nicht, dass eine geringere Östrogenexposition eine Erkrankung der kleinen Gehirngefäße verursacht, sie zeigt lediglich einen Zusammenhang auf.