Gesunde Frauen um die 40 erleiden oft Herzinfarkte, die nicht durch Ernährung oder Bewegungsmangel erklärbar sind. Forscher rätseln noch immer über die Ursachen.
Rund 35 Prozent aller Herzinfarkte bei Frauen unter 50 werden auf eine spontane Koronardissektion (SCAD bzw. spontaneous coronary artery dissection) zurückgeführt, eine seltene Erscheinung, die mit noch selteneren Krankheitsbildern verbunden ist. SCAD-bedingte Herzinfarkte gehen meist nicht tödlich aus, können aber unbehandelt zu schweren Herzmuskelschäden, und sogar zu spontanen Todesfällen führen.
Was ist bei Herzinfarkten durch eine spontane Koronardissektion anders?
Die meisten Herzinfarkte werden durch Atherosklerose verursacht, d.h. eine Fett- oder Cholesterinablagerung, die sich in den Arterien bildet, die normalerweise zuständig sind, um Blut (und damit auch Sauerstoff) ins Herz zu transportieren. Bei einer Koronardissektion handelt es sich wiederum um einen Riss in der Gefäßwand eines Herzkranzgefäßes. Die Arterienwände schwellen an, wenn das Blut hineinströmt, pressen den röhrenartigen Innenraum zusammen, und unterbinden auf diese Weise den Blutstrom zum Herzen.
Zu den gängigen Herzinfarktrisikofaktoren zählen Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen und fortgeschrittenes Alter. Diese Einflüsse spielen wiederum bei einer spontanen Koronardissektion keine Rolle. Generell steigt bei Frauen ab dem 55. Lebensjahr das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, wobei die meisten Fälle von Herzinfarkten bei Frauen um die 70 auftreten. Die durchschnittliche SCAD-Patientin wiederum ist zwischen 40 und 50. Tatsächlich treten 90 Prozent aller Fälle von spontaner Koronardissektion bei Frauen auf.
Forscher gehen davon aus, dass der Hauptgrund für dieses Ungleichgewicht hormonell bedingt ist. So würden Östrogen und Progesteron die Blutgefäße schwächen. Schwangerschaften, insbesondere mehrfache, würden daher das Risiko einer spontanen Koronardissektion durch erhöhte, und aus dem Gleichgewicht geratene Hormone, vor und nach der Entbindung erhöhen.
Sonstige Risikofaktoren
Eine Reihe weiterer seltener Krankheitsbilder und Symptome, die den Kreislauf und das Bindegewebe betreffen, kommen bei Frauen häufiger vor als bei Männern, und werden mit einem erhöhten SCAD-Risiko in Verbindung gebracht. Dazu gehören u.a.:
- Fibromuskuläre Dysplasie (FMD)
- Polyarteriitis nodosa (PAN)
- Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS)
- Loeys-Dietz-Syndrom
- Marfan-Syndrom
- Lupus
Psychische Probleme wie Angststörungen und Depressionen sind ebenfalls bei Frauen öfter zu finden als bei Männern. Durch diese Störungen bedingter chronischer Stress flutet den Körper mit Giftstoffen wie Cortisol und Epinephrin sowie mit sog. Zytokinen, das sind entzündungsfördernde Proteine. Die permanente Exposition gegenüber diesen Stoffen kann zu oxidativem Stress, Bluthochdruck, Zellschäden und Schäden am Immunsystem führen.
Anzeichen und Symptome
Die breite Mehrheit aller Forschungen zur menschlichen Gesundheit gehen von einer männlichen Anatomie und Biologie aus, in der Annahme, der weibliche Körper funktioniere genau gleich. Ironischerweise nahmen Wissenschaftler sogar lange an, weibliche Hormone seien für ihre Studien „irrelevant“. Diese geschlechtsspezifische Diskriminierung in der Medizin findet sich auch heute noch in Notaufnahmen, Arztpraxen und sogar in der Populärkultur.
Viele Frauen (und ihre Ärzte) können daher möglicherweise Herzinfarktsymptome falsch deuten oder völlig ignorieren, da diese bei Frauen etwas anders aussehen können. Sie können entweder leichter Natur sein, schnell vorübergehen, als Sodbrennen interpretiert, oder übergangen werden. Brustschmerzen oder ein Druckgefühl im Brustbereich sind sehr häufig, ebenso Kiefer-, Magen- und Rückenschmerzen sowie Schmerzen in einem oder beiden Armen. Diese gehen oft mit starker Übelkeit, Schweißausbrüchen, Kraft- und Atemlosigkeit einher.
Es ist unheimlich wichtig, diese Symptome nicht zu ignorieren. Eine spontane Koronardissektion ist zwar nur für etwa 0,5 Prozent aller Todesfälle durch Herzkrankheiten verantwortlich, allerdings können Herzrhythmusstörungen den Herzmuskel weiter schwächen, und so das Risiko für andere Herzkrankheiten erhöhen.
Vorsorgemaßnahmen
Sie können die Gefahr einer spontanen Koronardissektion senken, indem Sie anfangen, das eigene Verhalten zu ändern. Bauen Sie Stress ab, indem Sie sich in Meditation und Achtsamkeit üben. Nehmen Sie keine Steroide oder Aufputschmittel ein, und vermeiden Sie Überlastung, vor allem, wenn Sie wissen, dass Sie an einer als Risikofaktor bekannten Krankheit leiden.
Eine spontane Koronardissektion kann nur mithilfe einer intravaskulären Ultraschalluntersuchung oder einer optischen Kohärenztomografie sicher diagnostiziert werden. Sie werden eventuell zusätzliche Untersuchungen erhalten, wenn bei Ihnen weitere Risikofaktoren vorliegen oder Sie glauben, dass fälschlicherweise eine Atherosklerose diagnostiziert wurde.