Alzheimer ist eine lähmende Erkrankung, die viele Menschen im Alter betrifft. Forschungen legen nahe, dass eine Hormonersatztherapie das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen senken kann, und dass diese Verringerung des Risikos je nach Art und Verabreichung der Hormontherapie sowie deren Dauer variiert. Diese Erkenntnisse könnten zur Entwicklung eines präzisionsmedizinischen Ansatzes zur Vorbeugung neurodegenerativer Erkrankungen führen.
Die Rolle von Östrogen im Gehirn
Forscher schätzen, dass fast zwei Drittel der Alzheimer-Patienten Frauen sind. Die höhere Prävalenz von Alzheimer bei Frauen kann unter anderem auf die längere Lebensdauer von Frauen zurückzuführen sein. Eine führende Hypothese ist, dass diese Anfälligkeit mit Östrogen zusammenhängt. Der Abfall des Östrogenspiegels, der mit der Menopause auftritt, führt zu einem Rückgang des Volumens der „grauen Substanz“, der zellulären Substanz des Gehirns (GMV), in Schlüsselregionen des Gehirns, die auch von der Alzheimer-Krankheit betroffen sind. Eine Studie von Weill Cornell Medicine-Forschern in Zusammenarbeit mit der University of Arizona legt nahe, dass eine größere kumulative Exposition gegenüber Östrogen im Leben, beispielsweise durch mehr Kinder oder durch eine Hormontherapie in den Wechseljahren, diesem hirnschrumpfenden Effekt entgegenwirken kann.
Rezeptoren für Östrogenmoleküle befinden sich in allen Gehirnzellen von Frauen, und das Sexualhormon ist seit langem dafür bekannt, dass es nicht nur hilft, die Entwicklung und das Verhalten des Gehirns zu steuern, sondern auch allgemein eine nährende und schützende Rolle im zentralen Nervensystem spielt. Dieser Schutz hält jedoch nicht ewig an. Der Östrogenspiegel sinkt während des Übergangs in die Menopause steil ab, und wie jüngste Untersuchungen gezeigt haben, neigen Frauen während dieses Übergangs zu einem signifikanten Verlust der grauen Substanz.
Östrogen als Schutz von Gehirnregionen, die anfällig für Alzheimer sind
Die Analyse umfasste 99 Frauen im Alter von 46 bis 58 Jahren und eine Vergleichsgruppe von 29 gleichaltrigen Männern. Sie bestätigte, dass Frauen nach der Menopause und Perimenopause (Beginn der Menopause) im Vergleich zu Frauen vor der Menopause und Männern ein signifikant geringeres Volumen der grauen Substanz – angepasst an Alter und Kopfgröße – in Gehirnbereichen wie dem Hippocampus, entorhinaler Cortex und Temporallappenregionen aufweisen, die stark von Alzheimer betroffen sind.
Im Gegensatz dazu war bei den Frauen eine höhere Östrogenexposition, wie durch verschiedene Faktoren impliziert, mit einem höheren Volumen der grauen Substanz in bestimmten Gehirnbereichen verbunden. Eine längere Reproduktionsspanne wurde beispielsweise signifikant mit mehr GMV in einer Gruppe von Regionen nahe der Oberseite des Gehirns assoziiert, einschließlich des oberen Parietallappens und des Präcuneus der linken Hemisphäre. Mehr Kinder zu haben, war signifikant mit mehr GMV in den unteren und mittleren Frontalgyri und den mittleren und unteren temporalen Gyri verbunden. Die Anwendung einer Hormonersatztherapie ging mit mehr GMV im oberen Frontalgyrus und mehreren anderen Gehirnregionen einher. Es ist bekannt, dass all diese Gehirnregionen vom Altern und von Alzheimer betroffen sind.
Die Ergebnisse unterstützen laut den Forschern die Idee, dass Östrogen schützend sein kann, und legen nahe, dass eine weitere Untersuchungen der spezifischen biologischen Wege, die diesem Effekt zugrunde liegen, zu medizinischen oder Lebensstiländerungen führen könnten, die Frauen helfen, ihr Risiko eines kognitiven Rückgangs mit zunehmendem Alter sowie der Alzheimer-Demenz zu verringern.
Art der Hormonersatztherapie entscheidend
Eine in Alzheimer’s & Dementia: Translational Research & Clinical Interventions veröffentlichte Studie ergab, dass Frauen, die sich sechs Jahre oder länger einer menopausalen Hormontherapie unterzogen hatten, mit einer 79% geringeren Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkrankten. Die Gefahr, eine neurodegenerative Krankheit zu entwickeln, war um 77% reduziert.
Während der Studie untersuchten die Forscher die Versicherungsansprüche von fast 400.000 Frauen im Alter von 45 Jahren und älter, die sich in den Wechseljahren befanden. Sie konzentrierten sich auf die Wirkungen einzelner von der U.S. Food and Drug Administration zugelassener Hormontherapie-Medikamente, einschließlich Östrogene und Gestagene, und Kombinationstherapien bei neurodegenerativen Erkrankungen. Darüber hinaus bewerteten sie die Auswirkungen der Art der Hormonersatztherapie, des Verabreichungswegs – oral vs. durch die Haut – und der Therapiedauer auf das Erkrankungsrisiko.
Sie fanden heraus, dass die Verwendung der natürlichen Steroide Östradiol oder Progesteron zu einer größeren Risikominderung führte als die Verwendung synthetischer Hormone. Orale Hormontherapien führten zu einem reduzierten Risiko für kombinierte neurodegenerative Erkrankungen, während über die Haut verabreichte Hormontherapien das Risiko für die Entwicklung von Demenz reduzierten. Das Gesamtrisiko wurde am stärksten bei Patientinnen ab 65 Jahren reduziert. Zudem war der Schutzeffekt einer Langzeittherapie von mehr als einem Jahr bei Alzheimer, Parkinson und Demenz größer als bei einer Kurzzeittherapie von weniger als einem Jahr. Die Verringerung des Risikos für Alzheimer, Parkinson und Demenz bedeutet, dass diese Krankheiten einen gemeinsamen Treiber haben, der durch Östrogen reguliert wird, und wenn es gemeinsame Treiber gibt, kann es gemeinsame Therapien geben.
Fazit
Die Hormonersatztherapie gilt als wirksame Behandlung im Kampf gegen die Symptome der Menopause, zu denen Hitzewallungen, Nachtschweiß, Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme und Depressionen gehören. Auch wenn eine solche Therapie eine Reihe von Vorteilen bietet, kann sie auch einige Risiken bergen. Vorübergehende Beschwerden, die meist aber wieder verschwinden, beinhalten vor allem Wassereinlagerungen, Schmierblutungen und Übelkeit. Eine langfristige Hormontherapie, die über Jahre erfolgt, kann das Risiko für Thrombosen, Brustkrebs und Lebererkrankungen erhöhen, vor allem wenn sie oral verabreicht wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, zusammen mit dem Arzt eine Nutzen-Risiko-Abwägung zu erstellen, um zu entscheiden, ob diese Therapieform in Frage kommt.