Warum neigen Frauen dazu, weit über die Zeit hinaus zu leben, in der sie Kinder gebären können? Die meisten Tiere können ihr ganzes Leben lang Nachwuchs bekommen. Wissenschaftler erforschen noch immer die Gründe für dieses Phänomen bei Menschen. Eine Theorie bezüglich der Frage, warum Frauen aufhören, Eizellen zu produzieren, lautet, dass sie nur eine gewisse Anzahl von Eizellen besitzen. Sind diese aufgebraucht, treten die Wechseljahre ein. Eine andere Theorie, warum es bei Frauen zu dieser Phase kommt, wird durch die „Großmutter-Hypothese“ erklärt.
Die Wechseljahre und die Großmutter-Hypothese
In den letzten Jahren haben viele Wissenschaftler begonnen, an eine Theorie namens Großmutter-Hypothese zu glauben. Diese geht davon aus, dass Frauen irgendwann aufhören, selbst Kinder zu bekommen, um ihren Enkeln zum Überleben zu verhelfen. Kinder mit lebenden Großmüttern würden daher auch länger überleben, weil die Großmutter da ist, um sie zu ernähren, sich um sie zu kümmern, und sie zu beschützen. Mütter würden so auch tendenziell mehr Nachwuchs bekommen, da es eine Oma gibt, die sie dabei unterstützt, diesen groß zu ziehen.
Die Großmutter-Hypothese nimmt sowohl die Lebensdauer betreffende als auch soziale Aspekte unter die Lupe, die es mit sich bringt, eine Großmutter zu haben. Dieser Theorie zufolge garantieren Großmütter einen Erziehungsstil, der zum Erlernen neuer Fähigkeiten, zu Zusammenarbeit und dem Aufbau sozialer Beziehungen ermutige.
Kristen Hawkes, Anthropologin an der Universität von Utah, sieht in der Großmutter-Hypothese eine Erklärung dafür, warum es in Sachen Kindererziehung eine elementare Erfahrung darstellt, eine Oma zu sein. Großmütter helfen dabei, das Leben ihrer Enkel in folgenden Punkten zu verbessern:
- Entwicklung sozialer Fähigkeiten
- Erhöhung der Fähigkeit zur Paarbindung
- Vergrößerung des Gehirns der Enkel
- Verbesserung der Fähigkeit zur Zusammenarbeit
- Hilfe beim Entdecken verschiedener neuer Fähigkeiten
Biologe Peter Kim und Anthropologe James Coxworth verwendeten mathematische Anhaltspunkte und Computersimulationen, um wissenschaftliche Beweise zu liefern, welche die Großmutter-Hypothese stützen könnten.
In dieser Computersimulation wurden Großmütter, die keine Periode mehr hatten, in eine Population einer Primatenart aufgenommen, um die Sozialstruktur der Primaten zu ändern. Schimpansen erreichen gewöhnlich ein Alter von 35 bis 45 Jahren, was ungefähr auch mit der Länge des Zeitraums übereinstimmt, zu dem sie Nachwuchs zeugen können. Während der Computersimulation wurde einem Prozent der weiblichen Schimpansen eine menschliche Lebensdauer verliehen, und ihre Menstruationen wurde unterdrückt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass diese hypothetischen Primaten im Laufe von 60.000 Jahren eine ähnliche Lebensdauer wie jene von Menschen entwickelten. Am Ende wurden 43 Prozent der erwachsenen, weiblichen Primaten Großmütter.
In der Simulation der Studie kam es dazu, dass die Großmütter beim Füttern der Kinder halfen, noch bevor sie selbst aßen. Eine Mutter ohne großmütterliche Hilfe hatte mehr Schwierigkeiten beim Aufziehen eines zweiten Sprösslings, da es an Unterstützung mangelte. Das neue Baby erhielt oft mehr Aufmerksamkeit als das ältere Kind, das ältere wurde oft leicht vernachlässigt. Omas fungieren als zusätzliche Hilfe beim Aufziehen des Nachwuchses, um die Sicherheit und ausreichende Ernährung des erstgeborenen Kindes zu gewährleisten. Manche Großmütter erreichten eine überdurchschnittliche Lebensdauer. Sie gaben ihre Langlebigkeit an ihre Enkel weiter. Die überlebenden Schimpansen in der Studie lebten letztlich im Laufe von mehreren Generationen immer länger.
Warum nun produzierten weibliche Schimpansen Eizellen, bis sie rund 40 Jahre alt wurden? Hawkes geht davon aus, dass Großmütter ohne die Wechseljahre nur Zeit für ihre eigenen Kinder hätten. Sie seien nicht so sehr in der Lage, sich um ihre Enkel zu kümmern. Sobald eine ältere Mutter sterbe, sei niemand mehr da, der für ihren Nachwuchs sorgen könne, und die Kindersterblichkeitsrate erhöhe sich entsprechend. Käme es bei einem Weibchen also zu einem Aussetzen der Menstruation, versetze sie das in die Lage, ihre Enkel mit aufzuziehen, sie zu füttern, zu beschützen, und ihnen jene Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verlangen und auch verdienen.
Die Großmutter-Hypothese bleibt immer noch eine bloße Theorie zur Frage, warum es bei Frauen zur Menopause kommt. Weitere Studien sind erforderlich, um die Richtigkeit dieser Theorie zu untermauern. Das Verständnis darüber, welche Rolle die Großmutter im Leben eines Menschen spielt, hilft Anthropologen und Wissenschaftlern jedoch, mehr darüber herauszufinden, wie wir Menschen uns über die Jahrhunderte hinweg entwickelt haben.