Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Medikamente, die häufig zur Behandlung von Depressionen und Allergien eingenommen werden, den Ausbruch einer Demenz verursachen könnten.
Anticholinergika
Die Bedenken betreffen Arzneimittel, die wissenschaftlich als Anticholinergika eingestuft werden. In bestimmten Fällen werden diese Präparate als krampflösende Medikamente bezeichnet, was bedeutet, dass sie verhindern, dass sich die Muskeln unangemessen oder zu früh zusammenziehen oder entspannen. Viele dieser Präparate wirken, indem sie Acetylcholin, eine als Neurotransmitter bekannte Gehirnchemikalie, an der Wechselwirkung mit Nervenzellen hindern.
Krankheiten, bei denen üblicherweise Anticholinergika eingesetzt werden
Diese Arzneien werden zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen verschrieben, die durch ungewöhnlich häufige Muskelkontraktionen hervorgerufen werden. Diese umfassen eine überaktive Blase, verschiedene gastrointestinale Störungen, bestimmte Atembeschwerden wie saisonale Allergien und Krankheiten, die ungewöhnliche oder anormale Körperbewegungen verursachen, wie zum Beispiel Epilepsie.
Darüber hinaus haben diese Medikamente eine beruhigende Wirkung, weshalb sie besonders wirksam bei der Behandlung von Symptomen sind, die mit Störungen wie Depressionen, Psychosen, Schlaflosigkeit und Angstzuständen einhergehen.
Mögliche Nebenwirkungen
Obwohl diese Medikamente nützlich sein können, und bei zahlreichen gesundheitlichen Problemen Abhilfe schaffen, können sie bestimmte Nebenwirkungen hervorrufen. Anticholinergika sind in der Regel in therapeutischen Dosierungen gut verträglich.
Aber wie jedes andere Medikament auch, können diese Substanzen unerwünschte Effekte haben. Einige davon beinhalten Mundtrockenheit, starke Müdigkeit, Schwindel, leichte Sehstörungen, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, und Verstopfung. Darüber hinaus können diese Präparate mit anderen Medikamenten interagieren, insbesondere mit solchen, die ähnliche systemische Wirkungen haben. Daher sollten Menschen, denen diese Medikamente verschrieben wurden, alle anderen Präparate, die sie einnehmen, mit ihrem Arzt abklären, um mögliche Gefahren zu vermeiden.
Anticholinergika und das Einsetzen von Demenz
Jüngste Studien haben eine wichtige potenzielle Gefahr festgestellt, die Personen betreffen könnte, die diese Substanzen regelmäßig einnehmen: Demenz, eine schwerwiegende Störung, die das Gehirn schädigt.
Eine der erwähnten Untersuchungen wurde von englischen Wissenschaftlern der University of Nottingham durchgeführt. Die Mediziner untersuchten Personen, die über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren signifikante medikamentöse Dosen dieser Medikamente eingenommen hatten, und verglichen sie mit Personen, bei denen dies nicht der Fall war.
Zwischen 2004 und 2016 wurden mehr als 280.000 Personen im Alter von mindestens 55 Jahren untersucht. Die Studie ergab, dass bei mehr als 58.000 aller Probanden, denen Anticholinergika verschrieben worden waren, und die sie über einen längeren Zeitraum angewendet hatten, auch demenzähnliche Erkrankungen diagnostiziert werden konnte.
Eine weitere Studie, die in Zusammenarbeit mit der University of Washington und der in Seattle ansässigen Gesundheitsbehörde Group Health durchgeführt wurde, untersuchte die Auswirkungen von Cholinergika auf rund 3.500 Senioren ab 65 Jahren. Die Wissenschaftler prüften die Resultate der Probanden sorgfältig, und zeichneten dabei alle cholinergika auf, welche die Probanden bereits zehn Jahre vor Beginn der Studie eingenommen hatten. Sie kamen zu dem Schluss, dass bei rund 800 der Teilnehmer Demenzerkrankungen diagnostiziert wurden, und dass bei jenen, die diese Substanzen über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren eingenommen hatten, ein um 54 Prozent erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz bestand, als bei Personen, die keinerlei dieser Präparate anwendeten.
Die Studien beschränkten sich nicht nur auf verschreibungspflichtige anticholinerge Substanzen. Ein Team von Forschern aus Quebec entdeckte, dass auch rezeptfreie Allergiemedikamente ähnliche Ergebnisse erzielen können. Die Wissenschaftler identifizierten mehr als 2.000 Personen mit Alzheimer-Krankheit und 7.000 weitere Personen, bei denen diese psychische Erkrankung nicht diagnostiziert wurde.
In Folge untersuchten die Experten jene Medikamente, welche die Alzheimer-Patienten fünf bis sechs Jahre vor der Diagnose eingenommen hatten. Ihre Ergebnisse führten zu dem Schluss, dass Personen, die häufig zu Allergiepräparaten gegriffen hatten, ein um 32 Prozent höheres Risiko hatten, an Alzheimer zu erkranken, während jene, die dieselben Medikamente mindestens sechs Monate lang eingesetzt hatten, ein um 84 Prozent höheres Risiko aufwiesen, als Personen, bei denen dies nicht der Fall war.
Fazit
Die Forscher betonen, dass weitere Untersuchungen notwendig seien, und dass diese Erkenntnisse nicht dazu anregen sollten, dass Menschen, denen Cholinergika verschrieben wurden, diese absetzen, wenn die Präparate der Behandlung bestimmter Erkrankungen dienen. Personen mit einem potenziell erhöhten Risiko für eine Demenzerkrankung, zum Beispiel aufgrund der Familienanamnese, sollten über dieses Thema mit ihrem Arzt sprechen.