Testosteron hat etwas Mystisches an sich. Sein Vorhandensein wird gefeiert und begrüßt, sein Fehlen beklagt und betrauert. Dieses Hormon steht für körperliche Kraft, sportlichen Erfolg, Selbstbewusstsein und, bei Männern, auch für sexuelle Leistungsfähigkeit. Eine weitere Fähigkeit dieser vom Körper hergestellten Verbindung liegt darin begründet, dass sie das Leben verlängern kann.
Wenn man neuesten medizinischen Forschungen glauben kann, ist das Hormon der Schlüssel zu einem längeren Leben, und einer guten Gesundheit bis weit ins hohe Alter. Die lange vorherrschende Hypothese, dass das Sexualhormon an das Alter gebunden ist, impliziert, dass seine Konzentration mit den Jahren abnimmt, und eben nicht, dass der Körper schneller altert, wenn es daran mangelt.
Was hat es mit Testosteron auf sich?
Gesundheitsbewusste Menschen sind sich meist der allgemein bekannten Wirkung von Testosteron bewusst. Von der Stärkung der Libido, über die Erzeugung von Spermien, bis hin zur Stärkung der Knochen und Förderung des Muskelwachstums, übt das Hormon eine ganze Reihe von Funktionen im männlichen Körper aus. Eine weniger bekannte Aufgabe ist seine Umwandlung in Estradiol, eine Art Östrogen. Forscher der University of Western Australia haben entdeckt, dass größere Mengen an Estradiol mit längeren Telomeren einhergehen, d.h. sich wiederholenden Nukleotidsequenzen an den Enden beider Chromosomen.
Längere Telomere gehen mit einer gesunden Zellteilung und verjüngtem Gewebe einher. Je länger also das Telomer ist, umso besser wird das Chromosom geschützt. Die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen Estradiol und Telomeren stellt für Mediziner, die sich auf Anti-Aging-Mittel spezialisiert haben, ein vielversprechendes Forschungsfeld dar.
Was bewirkt Estradiol?
Obwohl es oft als „weibliches Hormon“ bezeichnet wird, wirkt sich Estradiol sowohl auf die männliche als auch auf die weibliche Fortpflanzung aus. Estradiol, ein Cholesterinderivat, wird in den weiblichen Eierstöcken produziert, und stellt in den fruchtbaren Lebensjahren die vorherrschende Östrogenform dar.
Aus den Eierstöcken gelangt es in die Blutzellen, und haftet sich an sog. Globuline, die Sexualhormone binden. Estradiol durchdringt anschließend die Zelle und bindet sich an seine Östrogenrezeptoren. Schließlich gelangt es in den Zellkern, und die dort enthaltene DNA, und verändert so die genetische Zusammensetzung. Dadurch verjüngt es das Gewebe der weiblichen Geschlechtsorgane. Es trägt zudem zu einer gesunden Schwangerschaft bei.
Bei Männern steuert Estradiol die Libido, das Erektionsverhalten des Penis sowie die Spermienproduktion. Zudem spielt es eine wichtige Rolle im Gehirn, nämlich beim Auslösen des sexuellen Verlangens. Eine erhebliche Konzentration an Estradiol führt daher zu einem gesteigerten sexuellen Interesse sowie zu mehr Standkraft und Ausdauer im Bett. Da Estradiol das Ergebnis einer Enzymaromatase ist, die auf das männliche Testosteron einwirkt, ist ein reichliches Vorhandensein von ersterem eine wichtige Vorbedingung.
Worin besteht der Zusammenhang zwischen Estradiol und Telomeren?
Wie genau trägt nun Estradiol zu längeren Telomeren bei? Das endgültige Urteil hierüber ist zwar noch ausständig, der Zusammenhang aber steht angesichts der logischen Schlussfolgerungen außer Frage. Die australische Studie kam zu dem Schluss, dass selbst leicht gesenkte Blutwerte an testosteronbasierten Hormonen mit kürzeren Telomeren bei den 70- bis 90-jährigen männlichen Probanden aus Perth, Australien, einhergingen. Kürzere Telomere wiederum können eine ganze Reihe gesundheitlicher Probleme wie Herzerkrankungen, Diabetes und Alzheimer nach sich ziehen.
Wird es möglicherweise in Zukunft möglich sein, den Alterungsprozess durch Hormontherapien aufzuhalten, oder zumindest zu verzögern? Hierzu sind natürlich weitere Forschungen erforderlich, aber das Warten auf ein Mittel gegen Beschwerden, von denen Millionen ältere Menschen geplagt sind, wird sich auf jeden Fall lohnen.