Der Östrogenspiegel einer älteren Frau kann mit ihrer Wahrscheinlichkeit zusammenhängen, an COVID-19 zu sterben, wobei höhere Spiegel des Hormons scheinbar vor schweren Infektionen schützen, legt eine Studie nahe. Aus diesem Grund könnte es sich laut den Forschern lohnen, die Möglichkeiten einer Hormonersatztherapie zu untersuchen, um die Schwere der COVID-19-Infektion bei Frauen einzudämmen, die bereits die Menopause hinter sich haben.
Die Rolle von Östrogen
Östrogen ist ein essentielles Hormon, das bei der Herausbildung der weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale (Brüste, Hüften, Scham- und Achselbehaarung) sowie bei der Regulierung des Menstruationszyklus involviert ist. Östrogen ist dabei ein Sammelbegriff für drei verwandte weibliche Sexualhormone: Östrogen, Estradiol und Estriol. All diese Hormone werden von den Eierstöcken hergestellt. Im Falle einer Schwangerschaft setzt die Plazenta Estriol frei, um die Milchbildung und andere Veränderungen in den Brüsten anzuregen. Wird Östrogen nicht mehr in ausreichender Menge hergestellt, wie beispielsweise nach der Menopause (bzw. auch davor), kann es zu unangenehmen Symptomen wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Depressionen, schwacher Libido und Scheidentrockenheit kommen. Niedrige Östrogenwerte können zu einer ganzen Reihe gesundheitlicher Probleme führen.
Covid-19 und Östrogenspiegel
Frauen scheinen ein geringeres Risiko einer schweren COVID-19-Infektion zu haben als Männer, selbst nach Berücksichtigung potenzieller Einflussfaktoren. Und dies gilt auch für andere schwere Virusinfektionen, wie MERS (Middle East Respiratory Syndrome). Es wurde daher vermutet, dass Östrogen bei dieser geschlechtsspezifischen Diskrepanz eine Rolle spielen könnte. Um dies weiter zu untersuchen, verglichen die Forscher die potenziellen Auswirkungen einer Erhöhung und Verringerung des Östrogenspiegels auf die Schwere der COVID-19-Infektion.
Sie stützten sich auf nationale Daten der schwedischen Gesundheitsbehörde (alle, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden); Statistik Schweden (sozioökonomische Faktoren); und das National Board of Health and Welfare (Todesursachen).Insgesamt wurde zwischen 4. Februar und 14. September 2020 in Schweden bei 49.853 Frauen COVID-19 diagnostiziert, von denen 16.693 zwischen 50 und 80 Jahre alt waren. Die Stichprobe der Studie umfasste insgesamt 14.685 Frauen: 227 (2 %) waren zuvor mit Brustkrebs diagnostiziert worden und nahmen Östrogenblocker (adjuvante Therapie) ein, um das Risiko eines erneuten Auftretens von Krebs einzudämmen (Gruppe 1); und 2535 (17 %) erhielten eine Hormonersatztherapie (HRT), um ihren Östrogenspiegel zu erhöhen, und die Symptome der Menopause zu lindern (Gruppe 2).mEtwa 11.923 (81 %) Frauen dienten als Vergleichsgruppe, da sie keinerlei Behandlung erhielten, weder um ihren systemischen Östrogenspiegel zu erhöhen noch zu senken.
Frauen mit Hormonersatztherapie hatten ein geringeres Risiko, an COVID-19 zu sterben
Die Analyse aller Daten zeigte, dass im Vergleich zu Frauen, die keine Östrogentherapie erhielten, die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu sterben, bei Frauen, die Östrogenblocker bekamen, (Gruppe 1) doppelt so hoch war, aber 54 % niedriger bei Frauen mit HRT (Gruppe 2). Nach Berücksichtigung potenziell einflussreicher Faktoren wie Alter, verfügbarem Jahreseinkommen, Bildungsstand und gleichzeitig bestehenden Gesundheitszuständen blieb die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu sterben, für Frauen mit Hormonersatztherapie (Gruppe 2) signifikant niedriger (53 %).
Es überrascht nicht, dass das Alter signifikant mit dem Risiko, an COVID-19 zu sterben, verbunden war, wobei jedes zusätzliche Jahr mit einer um 15 % höheren Wahrscheinlichkeit verbunden war, während jede zusätzliche gleichzeitig bestehende Erkrankung die Todeswahrscheinlichkeit um 13 % erhöhte. Und diejenigen mit den niedrigsten Haushaltseinkommen starben fast dreimal so häufig wie jee mit den höchsten.
Hierbei handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, daher lässt sich keine Ursache feststellen. Es gab keine Daten zu den genauen Dosierungen des Hormersatzes oder den Östrogenblockern oder den Zeitraum der Anwendung. Auch Gewicht und Nikotinkonsum wurden nicht berücksichtigt, während die Anzahl der Frauen in Gruppe 1 mit adjuvanter Therapie relativ gering war. Diese Faktoren könnten einen Einfluss gehabt haben. Dennoch konnten die Forscher eine Verbindung zwischen Östrogenspiegel und Tod durch COVID-19 feststellen. Dies sind wichtige Erkenntnisse, da Medikamente, die den Östrogenspiegel erhöhen, als therapeutische Mittel dienen könnten, um den Schweregrad von COVID-19 bei postmenopausalen Frauen zu lindern.